VERSUCHUNGEN

Liebe Gemeinde, da habe ich nun gestern im Schrank diese Tafel Schokolade gefunden, wo ich doch in der Fastenzeit auf Süßigkeiten verzichten wollte.

Was für eine Versuchung…
Auch noch die „zarteste Versuchung“…
Ob ich der widerstehen kann?

„Allem kann ich widerstehen, nur nicht der Versuchung.“ Soll Oscar Wilde mal gesagt haben.

Wenn wir so von Versuchung sprechen, dann ist immer ein Augenzwinkern dabei. Es geht um Lust und Sinnlichkeit. Aber was ist das schon, wenn man die Schokolade doch genießt, obwohl man es ja eigentlich in der Fastenzeit nicht wollte.

Was erleben wir als Versuchung? Die Frage habe ich am Donnerstag im Gesprächskreis gestellt. Es fiel uns gar nicht leicht, das konkret zu benennen. Manch einer ist versucht, die Steuererklärung recht großzügig auszufüllen. Und da unser Tisch am Donnerstag reichlich gedeckt war, fiel immer mal wieder der Satz: „Wir werden heute aber in Versuchung geführt.”

Aber klar war doch, es geht bei dem Begriff Versuchung um viel Tiefergehendes.

Und dann fielen Stichworte wie: bewusst gegen die Gebote Gottes handeln. Gott untreu werden. Sich aus der Verantwortung ziehen, wenn es um die Frage der Bewahrung der Schöpfung geht, weil man ja doch als einzelne nichts machen kann.

Laut Duden ist „eine Versuchung der starke Wunsch, etwas zu tun, das man nicht tun sollte. Versuchung ist ein äußerst verlockender Reiz, der zu einer Handlung verleitet, die verboten, unmoralisch, irrsinnig und/oder zerstörerisch ist.“

In der heutigen biblischen Geschichte ist die Sache mit der Versuchung ein teuflisches Spiel. Jesus wird nach 40 Tagen in der Wüste vom Teufel versucht.
Bevor ich auf die einzelnen Versuchungen eingehe, denen Jesus ausgesetzt war, möchte ich etwas zur Vorstellung des Teufels sagen.
Die Sache mit dem Teufel ist ja gar nicht so einfach für mich als aufgeklärten modernen Menschen. Es steht da in der Bibel – doch was ist damit gemeint. Wie gehe ich mit der Vorstellung vom Teufel um? Es geht ja nicht um das Teufelchen im Kasperletheater mit rotem Kopf und Hörnern.

In dieser Geschichte von der Versuchung Christi hat der Teufel übrigens drei verschiedene Bezeichnungen. Zunächst ist er der Versucher, dann der Diabolos, das bedeutet der Durcheinanderwerfer – das ist das Wort, das wir im Deutschen mit Teufel wiedergeben. Und schließlich wird er von Jesus als Satan identifiziert und weggeschickt.

Versucher, Diabolos, Satan.

Religionsgeschichtlich interessant finde ich, dass die Figur des Satans erst relativ spät in der Bibel auftaucht. Die ältesten Zeugnisse des Alten Testaments sprechen ganz selbstverständlich von Gott als Urheber des Guten und Bösen. Es gibt Geschichten, da tragt Gott dämonische Zuge. Der Wüstengott, der mitzieht. Der Gott der Väter, der unmittelbar ins Leben eingriff, der hatte auch eine dunkle Seite. Gott verursachte in seinem Zorn auch Zerstörung und Vernichtung.
Aber immer mehr veränderte sich die Gottesvorstellung. Gott wurde erkannt als der Herr, der Himmel und Erde geschaffen hat, und der rückte immer mehr in den Himmel. Er wurde als der gütige und allwissende Herrscher angebetet. Wem hier auf Erden Böses widerfuhr, der konnte dies kaum noch direkt auf Gott zurückführen.
So entwickelte sich die Vorstellung von Zwischeninstanzen zwischen Gott und Menschen, und darunter eben auch welche, die für das Böse zuständig waren, wie der Satan. Im Alten Testament sind das nur drei Belegstellen.

Im Neuen Testament erhält die Vorstellung vom Hofstaat Gottes mit Engeln ebenso wie Satan, Teufel und Dämonen eine zunehmend wichtigere Stellung. Der Satan wird zum Gegenspieler Gottes, der durch Christus überwunden wird.

So wie es der Wochenspruch sagt: Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.

Und das war dann auch prägend für die Theologie und für die mittelalterliche Bildwelt und für viele Lieder der Reformationszeit, die heute noch in unserem Gesangbuch stehen.
In der Rostocker Gemeinde habe ich mal eine ,,Glaubensprüfung“ nicht bestanden, weil ich sagte: Ich glaube nicht an den Teufel. Ich glaube an Jesus Christus. Mein Gegenüber hat nicht verstanden, was ich damit meinte. Für mich ist das Böse keine Gestalt. Ich habe damit aber nicht gesagt, dass es das Böse nicht gibt. Ja, manchmal scheint das Böse ein Eigenleben zu bekommen, wie eine Eigenmacht, die nicht beherrschbar ist, sondern die versucht uns Menschen zu beherrschen.
Wenn ich dann vom Teuflischen oder Satanischen spreche, dann gebe ich diesem einen Namen, diesen Kräften, die unter uns und manchmal auch in uns wirken, die uns von Gott und seinem Weg abbringen wollen. Wie gesagt: In der heutigen biblischen Geschichte ist die Sache mit der Versuchung ein teuflisches Spiel.

Nach 40 Tagen in der Wüste wird Jesus drei Versuchungen ausgesetzt. Schauen wir uns die mal an:

  1. Versuchung

Als erstes soll der Ausgehungerte dazu verführt werden, Steine in Brot zu verwandeln. Doch man fragt sich, was ist daran falsch? Es wäre ja überhaupt nicht schlecht, wenn der Mangel sofort beseitigt wurde. Warum hungern, wenn es anders geht. Als Gottes Sohn könnte er es doch. Aber Jesus antwortete: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“ Was will er damit?

Mit diesem Zitat aus dem 5.Buch Mose erinnert Jesus an die Wüstenzeit Israels. Als das Volk Gottes in Gefahr war, das Vertrauen in Gottes Führung zu verlieren. In Zeiten des Mangels murrte es und sehnte sich nach den Fleischtöpfen in Ägypten zurück: „Wären wir nur in Ägypten geblieben. Damals ging es uns gut…..“. Von wegen.

In früheren Zeiten die Lösung für die gegenwärtige Probleme zu sehen, die Versuchung kennen wir ja ganz gut. Manche wünschen sich ja die Verhältnisse der 50er und 60erJahre zurück. Sicher war da manches einfacher und klarer. Aber ehrlich, so toll war das nicht. (Z.B. Wenn ich bedenke, dass ich nur mit Erlaubnis meines Mannes ein Konto eröffnen und berufstätig sein dürfte… Predigen würde ich wohl auch nicht). Nur ein Beispiel.

Oder im Blick auf die Gemeinden: Ja, sie waren groß. Da war viel Leben. Aber es ging auch streng zu. Manche Ältere erzählen mir, wie eng es war. Strenge Regeln, was erlaubt war und was nicht… Und dann muss man ehrlich sehen, dass sich die Zeiten und das Freizeitverhalten und vieles mehr geändert hat.

Ganz bestimmt sind wir heute nicht im gelobten Land angekommen, weder, was die Gemeinden angeht, noch die Gesellschaft überhaupt. Da haben wir viele Probleme. Aber der Weg zurück ist keine Alternative. Rückwärtsgewandtheit und vor allem Verklärung der Vergangenheit, weil man mit der Gegenwart nicht klarkommt, ist eine große Versuchung in unserer Zeit.

Und es geht in der ersten Versuchung darum, Wüstenzeiten auszuhalten und zu vertrauen, Gott wird auch auf Durststrecken für uns sorgen.

  1. Versuchung

Als zweites soll Jesus von den Zinnen des Tempels springen. Wenn du Gottes Sohn bist, dann wird Gott seinen Engeln befehlen, dich auf Händen zu tragen, damit dein Fuß sich nicht an einen Stein stößt. Die Versuchung ist hier, Gott auf die Probe zu stellen. Gott prüfen: Greift er wirklich ein, wenn ich in Gefahr bin. Kann ich mit seinem Schulz rechnen?

Manche sagen ja nach einer rasanten Autofahrt. Na, da hat mein Schutzengel wieder viel zu tun gehabt. Ich behaupte ja: Mit 180/200 Sachen über die Autobahn zu brettern und zu erwarten: Gott wird mich schon bewahren – das ist wie von den Zinnen des Tempels springen und auf engelshaften Schulz zu vertrauen. Und wo waren die dann, wenn es schief gegangen ist?

Der zitierte Vers aus Psalm 91 ist einer der beliebtesten Taufsprüche. Ich kann Eltern gut verstehen, dass sie damit den Wunsch aussprechen, Gott möge unser Kind vor allen Gefahren behüten. Und wie oft bete ich das auch für meine Lieben. Aber was ist, wenn wir uns doch unsere Füße an einen Stein schlagen. Ja, wenn das Leben einen zu Fall bringt und nicht nur die Knie, sondern auch die Seele wund ist. Wird mir dann Gott fremd, weil er seine Engelsschar nicht gesandt hat. Verzweifle ich dann an ihm?

Es ist eine Versuchung zu glauben, mit Gott an meiner Seite gehen wir sicher und unbeschadet durchs Leben.

Es gibt da einen Unterschied zwischen Sicherheit und Gewissheit. Es gibt keine Glaubenssicherheit aber eine Heilsgewissheit. Sicher oder sogar gesichert geht kein Mensch durchs Leben, auch kein Christ – aber gewiss sein, dass Gott in allem, was mir geschieht an meiner Seite ist, das kann ein glaubender Mensch schon.

Gott hat ja Christus und damit sich selbst auch nicht vor dem Absturz bewahrt, nicht mal vor dem Tod. Aber weil der Tod am Kreuz nicht das Ende war, können wir gewiss sein, dass dadurch all unsere Abstürze und Tiefpunkte nicht das Ende sind, sondern es Neuanfänge gibt jetzt schon und dann erst recht.

  1. Versuchung

Nun noch zur dritten Versuchung. Da geht es um die Frage der Macht. Da fallen einem aktuell gleich viele Beispiele ein.
Was macht man nicht alles um an die Macht zu kommen oder sie zu behalten. Zwar sind es weniger Kniefälle, mit denen viele versuchen an die Macht zu bekommen, eher Schienbeintritte oder irgendwelche Verrenkungen. ich will jetzt nicht von Schulz, Gabriel, Trump und Konsorten reden. Ist ja auch nicht unser Problem.
Auf uns bezogen wäre es wohl eher die Frage: Was wäre, wenn Kirchen einen viel größeren Einfluss bekommen wurde: wenn sie das Angebot bekommen würde, die Kultur und Bildungsfragen zu bestimmen. Aber dafür soll sie ja nie noch mal was gegen irgendwelche Rüstungsexporte sagen und bei Flüchtlingsfragen sich raushalten. Kirchenasyl wäre völlig tabu.
Ich glaube, zurzeit erliegt z. B. die russisch-orthodoxe Kirche der Versuchung, als einflussreiche Macht in Russland zu agieren. Sie ist hoch angesehen. Aber das ist verbunden mit einem Kniefall vor Putin.
Es hat der Kirche noch nie gutgetan, wenn Thron und Altar eine Ehe eingingen. Wenn Kirche staatstragende Funktion bekommt, dann geht jeder Widerspruch, der dem Evangelium eigen ist, völlig verloren.

Aber in Bezug auf Jesus: Ich bin versucht zu sagen, es wäre doch schön gewesen, er hätte die Macht über die Reiche dieser Welt übernommen. Dann sähe unsere Welt anders aus. Dann wurde die Welt den IS-Terror nicht kennen, in Syrien herrschte endlich Ruhe. Und vor Trumps Kapriolen bräuchten wir uns auch nicht zu fürchten. Dann herrschte Gerechtigkeit und Steine müssten gar nicht in Brot verwandelt werden, weil doch genug zu essen für alle da ist. Wie verführerisch dieser Gedanke. Jesus aber schickt den Teufel in die Wüste. Satan, weg mit dir!

Jesus hat sich für einen anderen Weg entschieden. Ein schwieriger, ein steiniger, gepflastert mit viel Liebe, aber auch Ohnmacht und Leid. Sein Weg wird ihn ans Kreuz bringen. Das ist so schwer zu begreifen.
Ich gebe zu, manchmal bin ich versucht, diesen Weg zu umgehen. Aber- vielleicht will mich da einer nur durcheinanderbringen.

Also: Weg mit dir— Diabolos.

Noch ein letztes: Ob diese Tafel in 7 Wochen immer noch unangebrochen in meinem Schrank liegen wird, ich kann nicht dafür garantieren. Aber ich werde mich auch nicht grämen, falls ich dieser Versuchung nicht widerstehen kann.
Über die anderen Versuchungen möchte ich weiter nachdenken und Gott bitten: Führe mich nicht in Versuchung bzw. schick du den Versucher in die Wüste.

Amen

(Predigt über Mt. 4, 1-11 am 18.02.2018 in der Evangelisch-methodistischen-Kirche Kassel –Pauluskirche- von Pastorin Katharina Lange)