Austausch von Maja Paul und Marcel Burghardt in Form
einer Predigt über Aussagen des Psalms 139 am 18.09.2022
Maja: Das war ein richtig schöner Lesungstext – oder Marcel?
Marcel: Ja, ich mag ihn auch sehr. Psalm 139 ist einer meiner Lieblingspsalmen. Es tut so gut, sich diese Zusagen von Gott immer wieder bewusst zu machen. Und diese Verse sind auch der Ausgangspunkt unserer heutigen Predigt.
Liebe Gemeinde, ihr habt es gehört. Gott hat uns herrlich und ausgezeichnet geschaffen. Oft vergesse ich das. Ich schaue morgens in den Spiegel und denke mir: “Oh Gott! Wie bin ich denn schon wieder aufgestanden!?” Wieso sage ich denn nicht: “Ohhh Gott! Wie schön hast du mich gemacht!”
Maja: Ich glaube, dass wir oft dazu neigen, schneller das Schlechte an uns zu sehen. Dabei gibt es doch so viele Stellen in der Bibel, wo Gott uns sagt, dass wir geliebt sind. Trotzdem passiert es mir immer wieder, dass ich mich an anderen Menschen messe oder mich vergleiche.
Als ich noch zur Schule gegangen bin, war Sport lange Zeit mein Lieblingsfach. Ich war ziemlich gut und habe viele Urkunden gewonnen. Wenn wir Mannschaften gewählt haben, war ich oft eine der ersten, die man bei sich im Team haben wollte. Irgendwann hatte ich ständig Probleme mit meinen Bändern und letzten Endes hatte ich eine Sportbefreiung für länger als ein Jahr. Ich musste ständig aufpassen, wie ich meinen Fuß aufsetze. Als ich dann langsam wieder mehr und mehr am Sportunterricht teilnehmen konnte, waren meine Leistungen viel schlechter als zuvor. Plötzlich wollte mich keiner mehr unbedingt in seinem Team haben. Es kam sogar vor, dass ich am Ende als letztes übrigblieb, weil ich nicht gewählt wurde.
Ich habe mich damals über das “Wahlverhalten” meiner Mitschüler definiert. Und das hat mir dann die Freude am Sport genommen.
Marcel: Das kenne ich gut, oft wird man nur auf seine Leistung reduziert. Wer nicht genug leistet, wird auch nicht ausgewählt…
Maja: Stimmt.
Marcel: Naja, aber Gott wählt anders aus. Als Jesus seine Jünger auswählte, ging er zu den Fischern Simon und Andreas. Er wollte, dass sie ihm nachfolgen. Sie bekamen die Ehre, ganz viel Zeit mit Jesus zu verbringen. Damals war es üblich, dass man auf die Lehrer zuging und sie darum gebeten hat, ob man ihr Schüler sein darf. Simon und Andreas waren sicherlich verwirrt und haben sich gefragt, warum der Lehrer Jesus plötzlich auf sie zugeht. Und hinzu kam dann noch, dass sie doch gar kein besonderes religiöses Wissen hatten. Sie waren einfache Fischer, die nebenbei auch an Gott glaubten. So wie die meisten damals.
Es gibt viele weitere Beispiele, bei denen Gott “unscheinbare” Menschen für etwas sehr Besonderes ausgewählt hat.
Da ist zum Beispiel Mose aus dem Alten Testament. Als Hebräer ist er in der Pharaonen-Familie aufgewachsen und später abgehauen, weil er aus Rache einen Ägypter umgebracht hat. Und trotzdem hat Gott ihn für die große Aufgabe ausgewählt, das Volk Israel aus Ägypten zu befreien. Mose hingegen zweifelte, ob er gut genug für diese Aufgabe ist. Er sagte: “Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und die Israeliten aus Ägypten führen soll?” Doch Gott gab die Antwort: “Ich werde mit dir sein!” Und nicht nur das, Gott hilft Mose sogar dabei. Mose war nicht gerade der beste Redner, weshalb Gott ihm seinen Bruder Aaron zur Seite stellte, damit dieser für ihn beim Pharao spricht. So steht es im 2. Buch Mose Kapitel 3 und 4. (2. Mose 3,11f und 2 Mose 4,10-17)
Ein letztes Beispiel noch: David war ein einfacher Hirte, der als jüngster von seinen Brüdern vom Propheten Samuel zum König über Israel gesalbt wurde. Dabei waren seine Brüder viel stärker und größer als David. Der Prophet Samuel lässt sich auch von der Größe der Brüder beeindrucken, als er auf der Suche nach dem neuen König ist. Aber Gott, der ihm den Auftrag gab, den neuen König zu salben, sprach zu ihm im 1. Samuelbuch Kapitel 16: »Lass dich nicht von seinem Äußeren oder seiner Größe blenden, ich habe ihn (gemeint ist der älteste Bruder von David) nicht erwählt. Der HERR entscheidet nicht nach den Maßstäben der Menschen! Der Mensch urteilt nach dem, was er sieht, doch der HERR sieht ins Herz.« (V. 7)
Das heißt also, Gott wählt nicht nach unseren Leistungen, der Größe oder dem Aussehen aus. Jeder Mensch ist für ihn etwas Besonderes.
Maja: Stimmt. Gott hat die Jünger, Mose, David und viele andere für eine wichtige Aufgabe berufen. Er hat die Jünger zu sich gerufen, weil er das Besondere bzw. das Potential in ihnen gesehen hat.
Berufung bedeutet, dass Gott einen Menschen für Aufgaben auswählt. Oft ist man ziemlich gut in diesen Aufgaben. Gott ruft aber auch Menschen zu sich, damit sie ihm nachfolgen. Beispielsweise sind wir alle dazu berufen, Gottes Kinder zu sein.
Aber er hat auch jeder und jedem von uns besondere Fähigkeiten gegeben. Manche sind musikalisch, andere technisch begabt. Aaron z. B. war gut darin, vor anderen Menschen zu sprechen, Mose dafür im Leiten von Gruppen.
Hattest du schon mal den Eindruck, dass Gott dich zu etwas berufen hat? Dir also eine Aufgabe aufs Herz gelegt hat?
Marcel: Hmm… Ich habe mal in einer anderen EmK-Jugendgruppe gehört, dass eine Person einen Schüler-Bibel-Kreis geleitet hat. Das heißt, dass sie sich mit ein paar Leuten einmal in der Woche traf, um gemeinsam in der Pause für die Schule zu beten oder in der Bibel zu lesen. Ich fand das richtig schön und ein paar Tage später hatte ich das Gefühl, ich sollte das auch machen. (Zumindest glaube ich das so in Erinnerung zu haben.) Und gemeinsam mit einer Klassenkameradin und der Religionslehrerin haben wir den Schüler-Bibel-Kreis dann in meiner Schule ins Leben gerufen.
Maja: Na, das klingt definitiv nach einer Berufung. Ich glaube, dass Gott uns nicht nur im Alltag Aufgaben aufs Herz legt, in denen wir aufgehen können, sondern auch ganz konkret hier in der Gemeinde. Jetzt sind Pastoren Katharina und Michael weg und wir haben erstmal keine Pastorin, bis Katrin Schinkel zu uns kommt. In dieser Zeit stark zu bleiben, ist meiner Meinung nach eine echte Aufgabe. Niemand von uns kann Katharina oder Michael einfach so ersetzen.
Und trotzdem: Als wir das erste Mal, vor circa einem Jahr, hier in die Gemeinde gekommen sind, haben wir uns schnell sehr wohl gefühlt, weil Menschen auf uns zugegangen sind und offen für uns waren. Wir haben gesehen, dass Katharina und Michael nicht die einzigen “besonderen” Menschen in dieser Gemeinde waren.
Es gibt Leute, die die Lesung halten, Musik machen, Technik bedienen oder gute Gespräche führen können. Dann gibt es Gemeindeglieder, die auf andere achtgeben, sich nach Glaubens-Geschwistern erkundigen und sie anrufen, in Kontakt bleiben, organisieren können, Aufgaben anleiten können, Predigen, Essen und Trinken vorbereiten, Arbeit mit Kindern gestalten, Menschen mit ihren Autos mitnehmen, Blumen kaufen, sauber machen, sich Gedanken um die Zukunft machen, für die Gemeinde beten, spenden, zum Gottesdienst kommen und einfach Gemeinde leben.
Marcel: Wir möchten einige Verse aus 1.Korinther 12 (4-22. 25-27) vorlesen, in dem es genau darum geht.
4 Nun gibt es verschiedene geistliche Gaben, aber es ist ein und derselbe Heilige Geist, der sie zuteilt.
5 In der Gemeinde gibt es verschiedene Aufgaben, aber es ist ein und derselbe Herr, dem wir dienen.
6 Gott wirkt auf verschiedene Weise in unserem Leben, aber es ist immer derselbe Gott, der in uns allen wirkt.
7 Jedem von uns wird eine geistliche Gabe zum Nutzen der ganzen Gemeinde gegeben.
8 Dem einen gibt der Geist also die Fähigkeit, guten Rat zu erteilen, einem anderen verleiht er die Gabe besonderer Erkenntnis.
9 Dem einen schenkt er einen besonders großen Glauben, dem anderen die Gabe, Kranke zu heilen – das alles bewirkt der eine Geist.
11 Dies alles bewirkt aber ein und derselbe Heilige Geist, indem er diese Gaben zuteilt und allein entscheidet, welche Gabe jeder Einzelne erhält.
12 Der menschliche Körper hat viele Glieder und Organe, doch nur gemeinsam machen die vielen Teile den einen Körper aus. So ist es auch bei Christus und seinem Leib.
14 Auch der Körper besteht aus vielen verschiedenen Teilen, nicht nur aus einem.
16 Wenn das Ohr erklären würde: »Ich bin kein Teil des Körpers, weil ich nur ein Ohr und kein Auge bin«, sollte es deswegen etwa nicht mehr zum Körper gehören?
17 Stellt euch vor, euer ganzer Körper wäre nur Auge – wie könntet ihr da hören? Oder wenn euer ganzer Körper nur Ohr wäre, wie könntet ihr da etwas riechen?
18 Gott hat unseren Körper mit vielen Gliedern und Organen geschaffen und jedem Körperteil seinen Platz gegeben, wie er es wollte.
20 Ja, es sind viele Teile, aber nur ein Körper.
22 In Wirklichkeit sind oft gerade die scheinbar schwächeren oder unwichtigeren Körperteile besonders notwendig.
25 Auf diese Weise kommt keine Spaltung im Leib zustande, sondern alle Glieder sorgen in gleicher Weise füreinander.
26 Wenn eines leidet, leiden alle anderen mit, und wenn eines geehrt wird, freuen sich alle anderen mit.
27 So bildet ihr gemeinsam den Leib von Christus, und jeder Einzelne gehört als ein Teil dazu.
Maja: Gott hat uns so ausgewählt, wie wir sind, weil er uns so geschaffen hat, wie wir sind. Er hat jede und jeden von uns für bestimmte Aufgaben berufen. Hätte er uns anders haben wollen, hätte er uns auch anders schaffen können. Er hatte damals die Fäden in der Hand, als er uns im Mutterleib formte.
Niemand von uns kann alle Aufgaben in der Gemeinde alleine übernehmen. Stell dir mal vor, wir wären alle perfekte Einzelgänger. Niemand wäre auf jemand anderen angewiesen.
Marcel: Dann gäbe es keine Gemeinschaft mehr. Und dann gäbe es auch keine richtige Gemeinde mehr, weil die Gemeinde erst durch die Gemeinschaft lebendig wird.
Lasst uns für einen kurzen Moment ruhig werden und darüber nachdenken, welches “Körperteil” wir gerade in der Gemeinde sind. Welchen Platz nimmst du, nehmt ihr zurzeit in der Gemeinde ein?
Denkpause
Fühlst du dich wohl an deinem Platz?
Gibt es vielleicht eine Aufgabe, zu der Gott dich hier in der Gemeinde berufen hat?
An welcher Stelle würdest du dich gern einmal sehen?
Denkpause
Es geht gar nicht darum, Katharina oder Michael zu ersetzen. Das ist nicht das Ziel. Es geht auch nicht darum, dass nun jemand anderes aus der Gemeinde die ganze Arbeit alleine trägt. Das ist unmöglich! Aber Gott sieht in jeder und jedem von uns etwas Besonderes. Er hat allen unterschiedliche Begabungen gegeben. Und er beruft uns dazu, diese Gaben in der Gemeinde einzubringen. Wenn wir alle unsere Fähigkeiten zusammenlegen, dann wird die Gemeinde auch in der Vakanz Zeit weiterhin lebendig bleiben.
Maja: Noch ein letzter Gedanke: Ein Leib, viele Glieder. Eine Gemeinde, viele Gemeindeglieder. Die Gemeinde wird in der Bibel auch als Braut beschrieben. Der Bräutigam der Gemeinde ist Jesus Christus. Sie beide gehören zusammen. Sie bedingen einander. Allerdings wächst die Gemeinde aus Gott. Wir kommen hier zusammen, wir feiern gemeinsam Gottesdienst, weil uns etwas Entscheidendes verbindet: Der Glaube an Jesus Christus. Und die Gemeinde ist nicht nur aus Gott oder auch dem Glauben an Gott entstanden, sie wächst auch auf Christus hin. Sie streckt sich nach Gott aus und wächst durch ihn. Das ist ihre Berufung. Und wer mag, kann als Teil der Gemeinde, Teil dieser Berufung sein, indem er sich mit seinen Begabungen in die Gemeinde einbringt und sich nach Jesus ausstreckt.
Marcel: Durch Gottes Liebe sind wir alle etwas Besonderes. Deshalb hat Gott uns auch alle ausgewählt – unabhängig davon, wie “unscheinbar” wir uns manchmal fühlen.
Und – nicht nur jede und jeder Einzelne von uns ist etwas Besonderes. Auch wir als Gemeinde sind etwas Besonderes.
Maja: Gott hat uns ausgewählt, er hat uns dazu berufen, dass wir uns in Gemeinschaft ergänzen und als Gemeinde glänzen!
Amen